Montag, 22.10.2018

Von Satelliten und Sexualstraftätern


von Marco


17. Februar 2008:
Seit gut vier Wochen liest man es in nahezu jeder Zeitung: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) will Rückfall gefährdete Sexualstraftäter (namentlich als „Pädophile“ bezeichnet) künftig per Satellitennavigation überwachen. Das Ganze soll folgendermaßen funktionieren: Die aus der Haft entlassenen Täter müssen ein kleines Armband mit eingebautem GPS-Empfänger tragen. Dieses Armband soll Alarm auslösen, sobald der Proband bestimmte Bewährungsauflagen missachtet, insbesondere wenn er vorher festgelegte „Sicherheitsabstände“ rund um Schulen oder Kindergärten nicht einhält. Dazu gab es in den letzten Wochen eine Reihe an Pressemeldungen, von denen ich hier exemplarisch die Ad-Hoc-News verlinke:

Bayern will Pädophile per GPS kontrollieren

Die bayerische Justizministerin argumentiert – wie könnte anders sein – im Hinblick auf den Kinder- und Opferschutz; fordert dazu auf, man dürfe sich hier keine „Denkblockaden“ auferlegen. Markige Worte, doch mit der Problematik pädophiler Sexualstraftäter scheint man sich im bayerischen Justizminisiterium wenig beschäftigt zu haben, sonst wüsste man, dass der Hebel ganz woanders anzusetzen ist. Bayern hat sich zwar als High-Tech-Standort längst einen Namen gemacht, aber durch GPS-Armbänder wird sich ein Rückfall gefährdeter Sexualstraftäter ganz bestimmt nicht von weiteren Straften abhalten lassen. Ein Täter, der während der Haft keine qualifizierte Therapie bekommt, wird zwangsläufig Rückfall gefährdet bleiben, da er nie gelernt hat, mit seinen triebhaften Bedürfnissen umzugehen. Das einzige, was hier mehr Sicherheit verspricht, sind ausreichend Therapieplätze – und zwar nicht erst nach der Haft, sondern schon während der Haft. Dazu braucht man keine Satellitenarmbänder, sondern erfahrene Therapeuten, speziell geschulte Bewährungshelfer und (wahrscheinlich das wichtigste!) eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Berufsgruppen. Nur so ist eine engmaschige Nachbetreuung möglich, die ein Höchstmaß an Rückfallprävention gewährleisten kann.

Diese Maßnahmen sind zwar nicht ganz billig und der Bevölkerung auch nicht immer leicht zu vermitteln, versprechen aber ein weitaus höheres Maß an Sicherheit als populistische Big-Brother-Methoden. Was man auch nicht vergessen darf: Die wenigsten Sexualstraftäter lauern ihren Opfern vor der Schule oder dem Kindergarten auf, sondern sie knüpfen ihre Kontakte über den Freundes- und Bekanntenkreis. Gerade pädophile Täter beweisen oft einen sehr langen Atem, indem sie sich über Monate hinweg in das Vertrauen eines Kindes einschleichen – z. B. als Nachhilfelehrer, Sporttrainer oder einfach nur als „guter Freund“ der Familie. Was man hier mit einer GPS-Überwachung verhindern will, ist mir schleierhaft. Wenigstens bei der Opposition hat man erkannt, welch gefährliche Augenwischerei hier betrieben wird. So wird der bayerische SPD-Vize-Vorsitzende Florian Pronold in den Ad-Hoc-News mit den Worten zitiert:

Nicht um Kindergärten besteht die größte Gefahr. Wenn ein rückfälliger Straftäter das Nachbarskind in die eigene Wohnung lockt, dann hilft leider das GPS-Armband auch nichts.“

Worte, denen man nichts hinzufügen braucht. Angebracht wäre auch, wenn man sich gerade in Bayern einmal Gedanken darüber macht, wie man denn zum Gedanken der Erstprävention steht. Mir ist nämlich nicht bekannt, dass es in Bayern eine Anlaufstelle nach dem Vorbild der Berliner Charité gibt. Der norddeutsche Raum ist hier noch vergleichsweise gut versorgt mit seinen sexualmedizinischen Fachinstituten in Berlin, Hamburg und Kiel. Doch wohin soll sich ein Pädophiler aus Süddeutschland wenden, der Hilfe sucht, damit er gar nicht erst zum Täter wird? Als High-Tech-Standort mag man in Bayern führend sein, aber in Sachen Pädophilie-Prävention hat man eine Menge aufzuholen. Vielleicht sollte man die ohnehin knappen Finanzmittel lieber in Beratungsstellen und Therapieplätze investieren, statt sie in eine nicht weniger teure GPS-Technik zu stecken, mit der man lediglich eine trügerische Scheinsicherheit schafft. Doch große Hoffnung hege ich da nicht, denn die bayrische Justizministerin vermittelt mit ihrer begeisterten High-Tech-Gläubigkeit den Eindruck, als wolle sie von den wahren Problemen nur ablenken.

aktualisiert: 30.04.2011