Montag, 22.10.2018

Der geheuchelte Kinderschutz

 


von Marco


25. Januar 2010:
von Marco
Die Katholische Akademie Trier veranstaltete vom 20. - 22. Januar eine Fachtagung zum Thema „Pädokriminalität weltweit“. Unter den Referenten waren Fachleute aus Polizei, Justiz und Sozialarbeit. Mit dabei war auch Deutschlands profiliertester Kinderpornographie-Fahnder, Oberstaatsanwalt Peter Vogt aus Magdeburg. Seine Forderung: Der Besitz von Kinderpornographie muss härter bestraft werden. Es sei nicht einzusehen, dass einem Ladendieb Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren drohen, während auf den Besitz von Kinderpornographie maximal zwei Jahre stünden.Der Kinderporno-Besitz muss aus dem Bagatellbereich raus, da muss sich die Politik drum kümmern“, so Vogt gegenüber dem „Trierischen Volksfreund“:

Besitz von Kinderpornos härter bestrafen

Grundsätzlich stimme ich Vogt zu: Der Besitz kinderpornographischer Bilder wird im Vergleich mit anderen Straftaten (insbesondere mit Eigentumsdelikten) immer noch als Kavaliersdelikt eingestuft. Höhere Strafen sind hier durchaus angebracht, um den Unrechtsgehalt solcher Delikte besser zu würdigen. Strengere Gesetze allein werden das Problem aber nicht lösen. Genauso wichtig wäre ein höherer Fahndungsdruck auf die Täter. Sie dürfen sich in ihrem verbrecherischen Tun nicht mehr sicher fühlen; nur das schreckt auf Dauer wirklich ab. Warum laden sich denn so viele Pädophile ganz ungeniert Kinderpornographie aus dem Internet herunter? Ein Grund liegt darin, dass das Entdeckungsrisiko so verschwindend gering ist. Vogt beklagt selbst immer wieder, dass seine Behörde personell völlig unzureichend aufgestellt ist, um die Vielzahl an Ermittlungsverfahren überhaupt noch abarbeiten zu können. Polizei und Justiz bewegen sich längst an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Das Problem ist seit langem bekannt, aber keiner tut etwas dagegen.

Der Ruf nach strengeren Gesetzen ist da oft nur ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Warum werden nicht endlich mehr Richter, mehr Staatsanwälte und mehr Polizeibeamte eingestellt, wenn der Personalmangel so offensichtlich ist? Was nützen die strengsten Gesetze, wenn der Staat nicht die Mittel hat, diese Gesetze auch durchzusetzen? Eine Politik, die ständig Gesetze verschärft, ohne für eine effektive Strafverfolgung zu sorgen, streut dem Bürger Sand in die Augen. Wenn die Politik es ernst meint mit ihrem Kampf gegen die Kinderpornographie, dann muss man Polizei und Justiz so ausstatten, dass sie diesem Kampf auch gewachsen sind. Die Ermittler brauchen hinreichend Personal und das Beste, was es an technischer Ausstattung auf dem Markt gibt. Doch in der Realität passiert genau das Gegenteil: Polizei und Justiz wurden in den vergangenen Jahren regelrecht kaputt gespart. Bundesweit wurden Tausende von Planstellen gestrichen, in vielen Bundesländern sind weitere Einsparungen im Gespräch. Wann hat dieser unverantwortliche Sparkurs endlich ein Ende? Auch für die Aus- und Fortbildung seiner Beamten tut der Staat wenig, um ihnen das notwendige Fachwissen im Umgang mit Kinderpornographie an die Hand zu geben. Stattdessen sind es private Vereine wie Dunkelziffer, die regelmäßig Schulungen für Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte abhalten. Es ist ein Skandal, dass private Organisationen einen Schulungsbedarf abdecken müssen, der zu den urgeigenen Aufgaben des Staates gehört. Sicher, gut ausgebildete Fachleute kosten Geld, aber Kinderschutz ist nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.

Auch das Argument mit dem fehlenden Geld kann ich nicht wirklich glauben. Dazu ein Beispiel aus der wunderschönen Hansestadt Hamburg. Die dortige Polizei klagt (wie in allen Bundesländern ) seit Jahren über zu wenig Personal. Gleichzeitig pumpt der Hamburger Senat mal eben ganz locker über 300 Mio. Euro in ein fragwürdiges Prestigeprojekt namens „Elbphilharmonie“. Ein Stadtstaat, der sich so etwas leisten kann, der hat auch genügend Geld, um mehr Polizeibeamte einzustellen, alles andere wäre schlicht und einfach ein Skandal. Hätte man die 300 Mio. Euro in Polizei und Justiz investiert... wer weiß, wie viele Täter man dadurch hätte dingfest machen können, wie viele missbrauchte Kinder hätten gerettet werden können. Aber nein, man gönnt sich lieber einen weithin sichtbaren Prachtbau in der Hafencity, für den sich der Hamburger Senat selbst auf die Schulter klopfen kann.

Mir würden noch viele Beispiele einfallen, wo öffentliche Gelder zum Fenster heraus geschmissen werden, die man an anderer Stelle sehr viel dringender bräuchte. Was als theatralisches Betroffenheitsgedusel daherkommt („Die armen missbrauchten Kinder!“), ist oft nichts anderes als professionelle Heuchelei. Ich finde, die politischen Entscheidungsträger sollten endlich mal ehrlich sein und zugeben: „Ja, wir tun alles für den Kinderschutz. Aber nur, solange er kein Geld kostet!" Wenn die Politik etwas vorzuweisen hat, dann höchstens eine unerträgliche Heuchelei, aber ein ehrliches Bemühen, gegen Kinderpornographie und sexuellen Missbrauch vorzugehen, sehe ich höchst selten. Aber Kinder haben eben keine Lobby, das ist nichts Neues.

aktualisiert: 30.04.2011