Was ist Pädosexualismus?
Obwohl sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern verboten sind ‒ und obwohl die Schädlichkeit solcher Beziehungen empirisch bewiesen ist ‒ gibt es pädophile Interessenvertreter, die sich für eine Legalisierung solcher Kontakte einsetzen. Die zurechtgelegte Begründung ist immer die gleiche: Zwang und Gewalt seien selbstverständlich abzulehnen, aber zärtliche und liebevolle Kontakte, die auf gegenseitigem Einverständnis beruhen und vom Kind gewollt sind, seien nicht schädlich, sondern könnten sogar positive Effekte auf die kindliche Sexualentwicklung haben. Für diese Argumentation haben Sexualmediziner der Berliner Charité den Begriff Pädosexualismus geprägt.1) Er versteht sich als Sammelbegriff für alle gesellschaftspolitischen Bestrebungen, die sich für eine gesellschaftliche Akzeptanz bzw. strafrechtliche Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen einsetzen. Weltweit gibt eine radikale Pädophilen-Szene, die solche Bestrebungen mit großem organisatorischen Aufwand vorantreibt. Die internationale Vernetzung ist dieser Szene ist bestens organisiert.
Von der Sexualmedizin werden solche Ansichten entschieden zurückgewiesen (siehe auch: Warum wir Sex mit Kindern ablehnen). Pädosexualistische Interessenvertreter stützen sich deshalb auf ideologisch motivierte und pseudowissenschaftliche Argumentationen. Da diese Begründungen oft mit großem rhetorischen Geschick vorgetragen werden, sind sie in ihren fragwürdigen Absichten nicht immer sofort zu erkennen. Man muss schon sehr genau hinhören bzw. zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, worauf die Argumentation hinausläuft und welche unterschwelligen Ziele damit verfolgt werden. Allerdings gab es auch in der Sexualwissenschaft einige umstrittene Veröffentlichungen, die pädosexualistischen Forderungen durchaus wohlwollend gegenüber standen. Das populärste Beispiel ist die so genannte „Rind-Studie“, die von pädosexualistischen Interessengruppen besonders gerne angeführt wird, um die angebliche Unschädlichkeit einvernehmlicher sexueller Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen zu untermauern. Diese Studie wurde 1998 von den drei US-amerikanischen Wissenschaftlern Bruce Rind (Temple University), Philip Tromovich (University of Pensylvania) und Bruce Bauserman (University of Michigan) im „Psychological Bulletin“ veröffentlicht, einer Fachzeitschrift der renommierten APA-Vereinigung (American Psychiatric Association).2)
Bei der Rind-Studie handelt sich um eine so genannte Meta-Analyse, in der die Ergebnisse anderer Studien (in diesem Fall waren es 59) zusammengefasst und unter übergeordneten Gesichtspunkten nochmals ausgewertet werden. Das US-amerikanische Forschertrio kam dabei zu Ergebnissen, die in der amerikanischen Öffentlichkeit ‒ die in sexuellen Fragen bekanntlich sehr konservativ ist ‒ für massive Empörung sorgten: Einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen führten nicht automatisch zu psychischen Schäden für das Kind; die Wahrscheinlichkeit solcher Schäden sei sogar geringer als bislang angenommen. Zudem seien die festgestellten Auswirkungen nicht eindeutig auf den sexuellen Missbrauch zurückzuführen, sondern oft im Kontext mit anderen Misshandlungsformen (z. B. Gewalt im Elternhaus) entstanden.
Eine Studie in der Kritik
Die Autoren sahen sich daraufhin einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt.3) Es wurde ihnen vorgeworfen, sie würden das Problem der Pädophilie verharmlosen und sich zum Fürsprecher von Pädokriminellen machen. Besonders in konservativen Kreisen aus Kirche und Politik war die Empörung groß. Sogar der US-Kongress sah sich aufgrund des Volkszorns in der Handlungspflicht und übte massiven Druck auf den Herausgeber der Studie aus. Die APA knickte daraufhin ein und versprach eine nochmalige Prüfung der explosiven Studie. Liberale Vertreter sahen darin eine unzulässige Einmischung der Politik in die Freiheit der Wissenschaft.
Die Rind-Studie wurde nicht nur in der amerikanischen Öffentlichkeit, sondern auch in der internationalen Fachwelt zum Teil scharf kritisiert. So wird z. B. bemängelt, dass die Daten der Meta-Analyse größtenteils aus einer sehr alten Studie von 1956 stammen, wo ausschließlich leichtere Fälle von sexuellem Missbrauch ohne Körperkontakt erfasst wurden.4) Außerdem wird kritisiert, dass die verwendeten Erhebungsinstrumente wenig geeignet seien, die möglichen Schäden, die durch einen sexuellen Übergriff entstehen können, hinreichend zu erfassen. Der Sozialpädagoge Dirk Bange (der mit Missbrauchsopfern arbeitet) weist darauf hin, dass gerade Jungen aufgrund ihrer Erziehung dazu neigen, ihren Schmerz und ihre Enttäuschung herunterzuspielen. Viele markieren nach außen hin den „starken Mann“, während sie innerlich zum Teil massiv leiden.4) Das Ergebnis vieler Studien würde dadurch verfälscht. Bange gibt außerdem zu Bedenken, dass sich viele Langzeitfolgen von sexuellen Übergriffen erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter zeigen und bei einer Untersuchung im Kindesalter noch gar nicht feststellbar seien.
Darüber hinaus wurde den Autoren Rind, Tromovich und Bauserman vorgeworfen, dass sie sich schon lange vor der Veröffentlichung ihrer umstrittenen Studie pro-pädophile Positionen vertreten hätten.4) Die Autoren selbst betonen dagegen, dass sie ihre Forschungsarbeit nicht als Rechtfertigung für pädosexuelles Verhalten verstanden wissen wollen. Im Gegenteil: Die Tatsache, dass sexuelle Kontakte mit Erwachsenen nicht zwangsläufig zu Schäden für das Kind führten, sei noch lange kein Grund, solche Kontakte zu billigen oder den Täter von seiner Schuld freizusprechen.2) Trotzdem wurde die Rind-Studie alsbald von amerikanischen Pädophilen-Verbänden vereinnahmt, die darin endlich den lang ersehnten „Beweis“ sahen, dass Sex mit Kindern nicht schädlich sei und somit ein Recht auf gesellschaftliche Akzeptanz hätte. Eine Tendenz, die schnell nach Europa überschwappte: Auch europäische Pädophilen-Vereinigungen entdeckten die Rind-Studie für sich und rissen sich genau die Aussagen aus dem Zusammenhang, die sie brauchten, um ihre mehr als fragwürdigen Forderungen zu legitimieren. Bis heute klammern sich radikale Pädophile weltweit an die umstrittene Studie aus Amerika, so als sei sie ein universeller Freibrief für die eigene Lust, wenn es darum geht, Kinder hemmungslos zu missbrauchen.
Argumentationsmuster der Pädosexualisten
Die Rind-Studie wird auch in Zukunft noch für viele Kontroversen sorgen, einen Freibrief für Sex ist sie aber auch wohlwollender Betrachtung noch lange nicht. Die Diskussion um die Rind-Studie gibt aber ein gutes Beispiel, wie die pädosexualistische Szene argumentiert: Einzelne Untersuchungen werden aus dem Zusammenhang gerissen und in ihrer Bedeutung verabsolutiert. Dass sich vieles bei näherer Betrachtung wieder relativiert, wird unterschlagen. Ebenso wird unterschlagen, dass eine ganze Reihe von anderen Untersuchungen gibt, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen. So gibt es z. B. eine etwas neuere Studie aus dem Jahr 2004, die den Ergebnissen der Rind-Studie fundamental entgegensteht:
„Together, these various studies and the current data reinforce the proposition that childhood sexual and physical abuse is endemic in our culture, and suggest that, in contrast to the conclusions of Rind et al. (1998), sexual abuse is likely to have significant long-term effects.“
(Briere J., Elliot D. M. „Prevalence and psychological sequelae of self-reported childhood physical and sexual abuse in a general population sample of men and women.“ in „Child Abuse & Neglect“, Vol. 27, S.1220)
Bezeichnenderweise werden solche Aussagen (die mindestens ebenso seriös sind wie die Rind-Studie) von keiner Pädophilen-Organisation erwähnt. Man pickt sich nur solche Aussagen heraus, von denen man sich eine Entlastung für die eigene Postion erhofft. Diese Aussagen werden dann aus dem Zusammenhang gerissen und so hingedreht, als sei Sex mit Kindern etwas völlig harmloses. Dirk Bange benennt noch eine andere Strategie der Pädosexualisten; nämlich die bewusste Verwischung von Begriffen und Definitionen. So wird z. B regelmäßig von Jugendlichen gesprochen, wo in Wahrheit Kinder gemeint sind.4) Es werden unverfängliche Begriffe wie „Liebe“ oder „Freundschaft“ benutzt, wo es in Wahrheit um skrupellose sexuelle Ausbeutung geht. Ein bezeichnendes Beispiel für solche verbalen Verharmlosung sind die Begriffe „Boylover“ und Girllover“. Dies sind in der radikalen Pädophilenszene die üblichen Selbstbezeichnungen für homosexuell bzw. heterosexuell orientierte Pädophile. Mit diesen Bezeichnungen soll der problematische Charakter der Pädophilie verschleiert werden. Der Begriff „...-lover“ suggeriert etwas Lockeres und Unbeschwertes, so als seien pädosexuelle Beziehungen genau so unproblematisch wie eine Liebesbeziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen.
Auch der scheinbar so selbstverständliche Begriff „Sexualität“ wird bewusst verwässert, indem man ihn auf jede Art von Berührung oder Körperkontakt ausweitet. Im nächsten Schritt wird dann argumentiert wird, Kinder könnten sehr wohl entscheiden, ob ihnen eine Berührung angenehm oder unangenehm ist. Dass körperliche Berührungen aus der kindlichen Perspektive ein ganz andere Bedeutung haben als für den sexuell motivierten Erwachsenen (siehe: Warum wir Sex mit Kindern ablehnen), wird bewusst unterschlagen. Ebenso wird argumentiert, Kinder bräuchten Zärtlichkeit und Körperkontakt, um sich gesund entwickeln zu können; Eltern würden mit ihren Kindern schließlich auch kuscheln und schmusen. Durch solche Argumentationsmuster soll der Eindruck erweckt werden, pädosexuelle Kontakte seien für das Kind förderlich, mehr noch: Ein pädosexuell agierender Erwachsener sei gewissermaßen die ideale Bezugsperson, um Kindern Liebe und Zuwendung zu schenken. Auch wird wieder aber bewusst unterschlagen, dass das entwicklungsbedingte Bedürfnis von Kindern nach Zärtlichkeit einen ganz anderen Hintergrund hat als die sexuelle motivierte Nähe des Erwachsenen.
Kennzeichnend für den Pädosexualismus ist außerdem ein ins Wahnhafte übersteigertes Identitätsbewusstsein, bei dem die pädophile Ausrichtung systematisch verherrlicht wird. Anhänger des Pädosexualismus sehen ihre Pädophilie gerne als „einzig wahre Kinderliebe“ inmitten einer „bösen“ und „kinderfeindlichen“ Welt. Aus psychologischer Sicht handelt es sich bei solch einer Selbstverherrlichung um den Versuch, die eigene Angst zu verdrängen. Die ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Pädophilie (und der damit verbundenen Tragik) erfordert eine innere Stärke, die viele nicht haben. Da ist es sehr viel einfacher, sich die Probleme schönzureden und die Schuld auf die „böse Gesellschaft“ zu schieben, die man als feindselig und intolerant erlebt.
Interessant ist, dass pädosexualistische Interessenvertreter nicht nur die Allgemeinbevölkerung als ihren „Feind“ betrachten, sondern auch jene Pädophilen, die sich gegen das Ausleben der eigenen Neigung aussprechen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass gerade die abstinent lebenden Pädophilen von der radikalen Szene als „Verräter“ ganz besonders geächtet sind ‒ und entsprechend mit Spott und Hohn, aber auch mit Beschimpfungen und teils sogar üblen Drohungen belegt werden.
Literatur:
1) Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2005): „Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit in DSM-IV und ICD-10.“, Sexuologie 12 (3/4)
2) Rind B., Tromovich P., Bauserman R. (1998): „A Meta-Analytic Examination of Assumed Properties of Child Sexual Abuse Using College Samples“, Psychological Bulletin Vol. 14 No. 1, APA 1998
3) DER SPIEGEL Nr. 31 vom 02.08.1999
4) Bange D. (2007): „Sexueller Missbrauch an Jungen. Die Mauer des Schweigens“, Göttingen 2007
“, Beltz Verlag, Weinheim 1979, S. 103