Montag, 22.10.2018

Gedanken zur Liebe – eine Antwort an Gabriel

von Max

 

Ich habe mich nur einmal richtig in ein Mädchen in unserem Sinne (12-jährig) verliebt. Ich bin nie mit einem Mädchen und auch noch nie mit einer Frau intim geworden. Zudem empfinde ich durchaus auch für Frauen etwas, was bei vielen von uns nicht der Fall ist. Mag sein, dass meine Kenntnis daher etwas eingeschränkt ist, mein Blick auf das Spektrum „schwieriger Emotionen“, die unsere Neigung mit sich bringen kann. Jedenfalls hat mich vor allem dein letzter Absatz, Gabriel, etwas verwirrt: „Tauschen? Würde ich das wollen? Eigentlich nicht so wirklich… oder?“ – Zur Erinnerung:

Schauen wir einer bedauernswerten Wahrheit ins Auge: In meinem Leben wird es wohl leider immer wieder Mädchen geben, die mich faszinieren werden. Vielleicht nicht so wie dieses eine… Aber doch werde ich immer wieder ähnliche Situationen erleben müssen. Ich werde niemals sagen dürfen, was ich fühle. Werde Nähe immer nur bis zu einem gewissen Punkt zulassen dürfen. Werde irgendwann ein lächerlicher alter Mann sein, der mit kleinen Mädchen spielt. Glauben Sie mir: Ich würde gerne mit Ihnen tauschen.“

(Gedanken zur Liebe)

Ich finde unsere Neigung nicht „toll“. Das möchte ich erstmal klarstellen. Sie ist einer abscheulichen Krankheit gleich, droht immer wieder mit Abgründen: Hier nicht hin, dort aufpassen usw. Es gibt Leute, die haben etwas Schreckliches erlebt, waren zum Beispiel aus Gewissensgründen im Gefängnis oder haben nach viel Kampf eine Krebserkrankung besiegt, und sagen später trotz all der Leiden: „Diese Zeit möchte ich nicht missen!“, weil sie vielleicht etwas Wichtiges fürs Leben daraus gelernt haben. Das über die Pädophilie zu sagen, wäre in meinen Augen der reinste Hohn.

Obwohl wir die Chance haben, aus dem Umgang mit der Neigung einmalige Erfahrungen zu sammeln und Dinge zu lernen, die anderen oft gar nicht zugänglich sind, wie mir scheint. Aber es ist doch keine echte „Chance“, wenn man quasi mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen wird, diese Dinge zu lernen: Entweder du lernst es oder du mutierst zum Monstrum. Friss oder stirb! Nach diesem Prinzip wären nämlich auch Contergan-geschädigte Menschen als beneidenswert zu bezeichnen: wer sonst lernt seine Füße so gekonnt einzusetzen wie jemand, der keine Arme hat? – Da läuft einem ja schon bei dem Gedanken ein kalter Schauer den Rücken herunter!

Schauen wir also der bedauernswerten Wahrheit ins Auge: In unserem Leben wird es immer wieder Kinder geben, die uns faszinieren, uns emotional fesseln können – was ich nicht im Sinne einer Verantwortungsabschiebung meine. Wir empfinden Kinder anders, sehen sie nicht als unfertige Persönlichkeiten sondern als faszinierende vollständige Geschöpfe, die natürlich in einem fortwährenden Wandel stecken. Niemals sagen dürfen, was wir fühlen; Nähe immer nur bis zu einem gewissen Punkt zulassen – das ist alles irgendwo wahr, aber… „fühle“ ich denn nur das, was ich einem Kind nicht sagen sollte? Oder was Andere kaum verstehen können oder nicht hören wollen?

Dass wir Kinder nicht als unvollständig wahrnehmen hat den Nachteil, dass wir dazu neigen Kinder zu idealisieren und sie uns zurechtzufantasieren, was die unangebrachten Gefühle weiter anheizen und puschen kann. Das werfen uns andere, nicht pädophile Menschen zu Recht vor. Doch auch sie sind nicht perfekt, denn sie neigen oft zum Gegenteil und sehen Kinder als unvollständiger, als sie tatsächlich sind. Nicht umsonst mahnen Erziehungsratgeber seit geraumer Zeit zu einer ausgeglichenen Sichtweise der eigenen Kinder bzw. von Schülern. Viele Erwachsene haben auch verlernt, Kind zu sein. Sie stecken in einer naturfernen Welt fest und betrachten Kinder als „lästige Bälger“, als „Klotz am Bein“ oder „Karrierebremse“. Natürlich sind Kinder anstrengend, unsereins muss das mitunter erst von dieser anderen Seite aus erkennen lernen. Wie ich zum Beispiel, wann immer ich mal intensiver und länger mit Kindern von Bekannten zu tun habe. Aber, möchte ich deswegen mit jemand anders tauschen?

Ich empfinde den Gedanken nicht als lächerlich, als alter Mann mit kleinen Mädchen zu spielen. Allerdings wird es mit jedem Jahr schwieriger, da auch Kinder einen immer schwerer aus der Rolle als Erwachsener raus lassen. So erscheint es mir: Es beginnt damit, dass man zunehmend gesiezt wird, geht damit weiter, dass es Kinder scheinbar eine gehörige Portion Überwindung kostet, einen Erwachsenen beispielsweise am Strand beim Sandburgenbau zu fragen, ob sie mitmachen dürfen, so meine Beobachtung. Kindern jedoch bedeutet es sehr viel, beachtet zu werden, persönlich beachtet zu werden. Und dazu haben wir meist ein zu gutes Talent: Wir haben weniger Probleme, überhaupt auf Kinder zuzugehen, müssen aber lernen, dieses Können zu regulieren, zu kontrollieren, zu zügeln. Selbst ein gutes Pferd nützt ungezügelt wenig. (Dabei mal ganz abgesehen von unseren problematischen Empfindungen und Impulsen.)

Würde ich mit einem „Normalophilen“ tauschen wollen? (Dieser Kunstbegriff kam einmal in der Nachsorgegruppe auf.) Hm… die sexuellen Gefühle gerne, denn ein Mädchen auf dem Schoß zu haben und dabei eine Erektion zu bekommen ist alles andere als lustig! Auch, weil jeder intensivere Kontakt mit Kindern meiner Präferenz noch immer regelmäßig im Vorhinein einen Sturm an Überlegungen in mir auslöst: Womit könnte ich alles konfrontiert werden? Wie damit umgehen und die erarbeiteten Strategien bestmöglich anwenden? – In der Situation selbst ist dann meist wieder alles okay. Aber wehe vor den Stunden davor! Doch würde ich auch tauschen wollen (wie so viele), erst wenn die Kinder groß sind schätzen zu lernen, was man hatte, als sie noch klein waren? Mich dann im Rentenalter in Selbstmitleid suhlen zu dürfen, nicht erkannt zu haben, wie viel wert ein Kinderlachen ist, wenn die eigenen Enkel einmal monatlich im Altersheim zu Besuch kommen? – Nicht so wirklich. Und die einmalige Sichtweise der Belange von Kindern und die Wertschätzung für sie, die mag ich gegen kein Geld der Welt eintauschen. Nur Mist, dass sie untrennbar mit der sexuellen Ausrichtung zusammenhängen…

Möchte ich Frauen begehren können? Schon. Ich bin nicht 100%-ig sicher, ob meine Ambitionen gegenüber Frauen meiner Altersgruppe für eine funktionierende Partnerschaft ausreichen, zumal ich es aufgrund meiner biblischen Überzeugung noch nie habe darauf ankommen lassen – nebenbei bemerkt definiere ich „funktionierende Partnerschaft“ daher auch etwas anders als die meisten Leser vermutlich, nämlich als prinzipiell dauerhaft. Gern würde ich die Sicherheit der meisten anderen Menschen auf unserem Globus teilen: ihre Sicherheit die geeigneten Emotionen für eine Partnerschaft empfinden zu können! Ich wünschte mir wenigstens der Fähigkeit dazu gewiss sein zu können. Doch wie viele „kranke“ Leute gibt es auch unter ihnen? Damit meine ich nicht irgendwelche anderen haarsträubenden Perversionen, sondern eher die üblichen Probleme:

  • die mit Frauen nicht klarkommen (sie als „Buch mit sieben Siegeln“ erleben) und große Kommunikationsprobleme über Geschlechterschranken hinaus haben;

  • die Kollegen, die ständig suchen, aber nie finden und sich gegen den Schmerz nicht selten mit Prahlerei wappnen oder in Selbstmitleid versinken;

  • jene, die jeder Frau einen eindeutigen Blick hinterher werfen müssen und dann kommentieren bzw. sich untereinander großtun, was ihre Adleraugen unter deren Kleidung erspäht haben wollen – oder gerade nicht erspähen konnten… – und sich damit gut fühlen!

Alles Sachen, die ich persönlich bei Anderen, wahrscheinlich normal-heterophilen Männern unterschiedlichster Altersklassen teils angewidert beobachtet und gehört habe, wenn sie sich unter sich wähnten (nicht ahnend, dass ich nicht ganz dazugehöre ;-). Durch die intensive und bewusste Beschäftigung mit dem Thema Sexualität – und vielleicht auch einfach die geringeren Ambitionen Gleichaltrigen gegenüber – habe ich das Empfinden, den Kopf deutlich freier zu haben als meine Umgebung. Ich fühle mich allgemein jungen Frauen gegenüber lockerer, als Andere es beschreiben. Manchmal auch nicht, doch dafür habe ich Strategien erlernt, mich nicht von Gefühlen einwickeln zu lassen, wenn ich es nicht will. Möchte ich das tauschen gegen ein allseits beliebtes verklärtes Bild allmächtiger, geheimnisvoller, überromantischer Gefühle á la Rosamunde Pilcher, denen man hoffnungslos verfällt, wenn sie einen mal treffen?

Und es gibt keinen wirklich verweilenden Augenblick, klar, denn Kinder wachsen bekanntlich recht schnell. Vielleicht liegt es an mangelnder schmerzlicher Erfahrung gegenüber euch – schließlich bin ich der Jüngste in dieser Runde hier –, aber ich empfinde mein Verhältnis zu Kindern, wo es sich gut entwickelt (wie ich es in meinen Beiträgen so gern beschreibe), als äußerst befriedigend! Keineswegs sexuell, aber das ist mir ehrlich gesagt bis heute ziemlich egal. Das Mädchen, das mich als Sicherheitsnetz für ihren Sprung von einer Mauer genutzt hat. Das in meine Arme sprang und sich sonst wohl kaum aus dieser Höhe herunter zu springen getraut hätte. Das zeugt von großem Vertrauen, denn hätte ich sie nicht gehalten, wäre sie womöglich verletzt unten aufgekommen. Oder das Mädchen, dass seine Eltern zu einem Termin auf dem Reiterhof begleitete, aber panische Angst vor Pferden hat – mag sein, dass ihr Verhalten teils auch Angeberei war, aber es war schön einfach zu ihr zu gehen, sie in ein Gespräch zu verwickeln und damit von ihrer Angst abzulenken! (Wohlgemerkt: Auch dabei hatte ich zunächst eine Erektion in der Hose, die sich jedoch bald im Gespräch verflüchtigte.)

In solchen Erlebnissen habe ich persönlich dann nicht mehr das Empfinden, mir fehle noch irgendetwas. Interessanterweise findet sich darin sogar eine Parallele zu dem, was die Intimbeziehungen „normaler“ Erwachsener im Kern ausdrücken: ‚Ich mag dich und ich vertraue dir.’ und ‚Ich nehme dich an und vertrau mich dir an.’ – Dinge, die rein gar nichts grundlegend mit den Genitalien zu tun haben!

Noch einmal zurück zu dem getrösteten Mädchen: Ich hätte sie dabei gern auch in den Arm genommen. Angesichts meines anfänglichen Erregungspegels (und meiner Unerfahrenheit mit körperlicher Nähe) wäre das jedoch zu viel gewesen, auch wenn es für einen nicht-Pädophilen vielleicht zum Trösten hätte angebracht sein können. Ist mir da etwas verloren gegangen? Wenn ich mir vorstelle, ich hätte sie in dieser Situation doch berührt oder in den Arm genommen, dann schüttelt es mich am ganzen Körper, einfach auch schon aus meiner Berührungsangst heraus. Für mich ist da nichts, wo ich – wie sagte Gabriel – „Nähe immer nur bis zu einem gewissen Punkt zulasse“ über den ich nach Belieben auch hinaus gehen könnte! Ich weiß nicht, was das ist. Möglicherweise mache ich jedoch bisher lediglich schon vor dem Punkt Halt, an dem ich beginnen würde, dein Empfinden Gabriel voll zu teilen. Denn nach der oben erwähnten Zwölfjährigen vor sieben Jahren habe ich mich nie wieder in ein Kind verliebt, wenn ich auch so manche von Herzen liebe.

Mit wem also will ich tauschen? Mit anderen kranken „Gesunden“? Nicht wirklich, wenn ich auch niemanden beneide, der Probleme wie die unseren hat. Ich versuche das Beste aus dem zu machen, was ich bin, und damit selber zu steuern, wer ich bin. Mehr können die Anderen doch auch nicht tun, oder? Doch ich freue mich bis zu Tränen gerührt über Erlebnisse, wie ich sie oben beschreiben konnte, und empfinde dies als großartige Erfüllung, einem Menschlein zur heilen Welt beitragen zu können.

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©2009 Max

aktualisiert: 01.11.2011